Zu Ehren von Marianne KirchgässnerSymposium
Termin: Sonntag, 16.06.2019, 14:00
Dauer: 3 Stunden
Bei diesem Symposium wird die Musikerin Kirchgessner durch Vorträge hindurch mit ihrem Instrument, ihren Reisen, ihrer Herkunft aus dem Südwesten, dem Repertoire mit und rund um Mozart usw. sozusagen „leitmotivisch“ sichtbar werden. Jede(r) Referent(in) wird vor dem Hintergrund ihres bzw. seines Themas Bezüge zur Biografie Kirchgessner herstellen.
14.00 - 14.30 Uhr
Dr. Rüdiger Thomsen-Fürst (Schwetzingen):
Die Glasharmonika an den südwestdeutschen Höfen
Nachdem Benjamin Franklin 1761 die Glasharmonika in London erfunden hatte, sollte es noch einige Jahre dauern, bis dieses neue Instrument nicht als bloße Kuriosität ange-sehen, sondern Teil des Musiklebens wurde. Dieser Prozess vollzog sich jedoch nicht in England, sondern in erster Linie im deutschen Sprachraum: „Germany truly became the adopted home of the harmonica“, fasste es der Musikwissenschaftler Alec Hyatt King zusammen. An den Höfen Südwestdeutschlands begann diese Entwicklung. Hier wurden – teilweise im Auftrag der Regenten – die ersten Instrumente in Deutschland nachge-baut, etwas später setzte auch die serielle Fertigung ein. Hier lernten Instrumentalisten die Spielweise, komponierten für das Instrument und gaben ihre Kenntnisse wiederum an Schüler weiter. Die zentrale Rolle der Region in der Geschichte der Glasharmonika wird in diesem Referat näher betrachtet werden.
14.45 - 15.15 Uhr
Prof. Dr. Melanie Unseld (Wien):
„Alles muß dauerhaft genug seyn, um […] den Transport zu vertragen“.
Das fragile Unternehmen, als Glasharmonika-Virtuosin zu reisen
Um als Virtuosin über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt zu werden, war das Reisen für Marianne Kirchgessner notwendige Voraussetzung ihrer Musikerinnen-karriere. Wie aber gestalteten sich Konzerttourneen für eine Musikerin im 18. Jahr-hundert? Welche Strategien zu Reiserouten und Aufführungsorten wählte sie? Wie halfen die Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen? Mit welchen Programmen konnte sie an welchen Orten reüssieren? Und – nicht zuletzt – wie verpackt man ein Instrument aus Glas für die wenig stoßgedämpften Reisen mit einer Kutsche?
15.45 - 16.15 Uhr
Prof. Dr. Freia Hoffmann (Bremen):
Klänge aus dem Jenseits –
Die Glasharmonika als Instrument der Empfindsamkeit
Um 1800 haben Dichter wie Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland, Johann Wolf-gang von Goethe und Jean Paul die Glasharmonika in nahezu religiöser Schwärmerei beschrieben: als Instrument der feinen Seelenbewegungen, der Entrückung in jenseitige Sphären, als „Leier des Orpheus“. Dass Marianne Kirchgessner mit ihrem Spiel ihr Publi-kum zutiefst rührte, hing auch mit ihrem Schicksal als Blinde zusammen. So reihte sie sich in die Reihe jener blinden Propheten, Sänger und Harfner ein, die seit der Antike kultische Vermittler zwischen Diesseits und Jenseits gewesen waren.
16.30 - 17.00 Uhr
Prof. Dr. Thomas Seedorf (Karlsruhe):
„Il dolce suono“.
Die Glasharmonika in Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“
Gaetano Donizetti komponierte die sogenannte Wahnsinnsszene seines romantischen Dramma tragico „Lucia di Lammermoor“ ursprünglich für eine Glasharmonika, deren sphärische Klänge sich mit den im Wahn entrückten Tönen der Titelheldin verbinden sollten. Die Umstände der Uraufführung machten diese Besetzung aber unmöglich. Seither erklang die Szene stets als Duett zwischen Sopran und Flöte. In den letzten Jahren ist man an vielen Theatern, auch großen Opernhäusern wie denen in Wien und München, zur Glasharmonika zurückgekehrt, deren „dolce suono“ der Klang einer zersprungenen Seele ist.